Direkt zum Hauptbereich

Wareneingangsprüfung – was sich andere darunter vorstellen

Bild von Uwe Gerhardt auf Pixabay

Hier behandle ich eigentlich zwei Themen, nämlich «sinnvolle Prüfung» und «Disziplin im Unternehmen».

Im Rahmen der Herstellung von Solarzellen werden die sogenannten «Finger» mittels Siebdruck auf die Solarzellen gebracht und dann eingebrannt.

Diese Finger sollen natürlich den Strom möglichst effizient leiten, haben aber auch einen Abschattungseffekt der minimiert werden soll, um möglichst viel Strom gewinnen zu können. Um Solarzellen möglichst leistungsfähig zu machen, werden daher laufend Versuche mit dem Siebdruck gemacht.

Dafür wurden Testsiebe bestellt und für die Versuche bereitgestellt. Schon seit geraumer Zeit wurden alle Standardsiebe bei der Wareneingangskontrolle von der Qualitätssicherung kontrolliert. Nun kam der Entwicklungsleiter zu mir und sagte ich müsse unbedingt auch die Testsiebe durch meine Ingenieure kontrollieren lassen.

«Was sind die Prüfkriterien?» war meine Frage

«Na ja, Standard!»

«Standard sind folgende Prüfkriterien» und zählte sie auf, «ist das ausreichend?»

«Ja, ja das wird schon passen!»

«Ist Euch das wirklich klar, was wir hier prüfen und ist das wirklich so gewünscht?»

«Ja»

Ich versuchte noch klar zu machen, dass bei den Testsiebe manche Kriterien, wie optische Kriterien und Siebspannung vermutlich unterschiedlich zu den Sieben in der Produktion sein können. Doch das wurde negiert.

«Macht einfach!»

Es kam wie es kommen musste. 

Am Abend vor dem geplanten Einsatz der Siebe erhielt im um 22 Uhr einen Anruf eines meiner QA Ingenieure. Er hatte die mühevolle und zeitaufreibende Prüfung der 70 Siebe abgeschlossen und teilte mir sein Problem mit:

«Die Siebe sind all geprüft und sind meines Erachtens in Ordnung, aber …»

«Was aber?»

«Sie entsprechen nicht unseren Standardvorgaben!»

«Dann sperren wir sie», meine Antwort.

«Sperren? Eigentlich sind sie ja in Ordnung!»

«Ja, sperren! Wir haben vom Engineering die Vorgabe erhalten nach der Standardprozedur zu prüfen. Und daran halten wir uns!»

«Wir wissen doch beide, dass die Vorgabe vom Engineering eigentlich Schwachsinn ist. Die waren lediglich zu faul sich etwas Spezifisches zu überlegen», entgegnete der Ingenieur.

Ich erklärte: «Wir verlangen als Qualitätsverantwortliche Disziplin beim Einhalten von Prozessen. Wir müssen diese Disziplin auch vorleben.»

Am nächsten Tag in der Früh helle Aufregung im Engineering, 70 Siebe in SAP gesperrt. Der Engineeringleiter stürzte in mein Büro, was uns denn einfalle alle Siebe zu sperren?

«Wir haben nur eure Vorgabe umgesetzt und zeige Dir gerne Dein Schriftstück dazu!», meine Erklärung. «Wir können nicht selbst etwas erfinden, nur weil die Vorgaben schlecht oder falsch sind». «Ihr hättet doch nur schauen müssen, ob die Siebe in Ordnung sind?», entgegnete er.

«Was bedeutet «in Ordnung»? Das ist keine mess- oder prüfbare Spezifikation. Es macht keinen Sinn etwas zu prüfen, wenn der Prüfinhalt nicht definiert ist»

Er gab auf: «Könnt Ihr die Siebe wieder freigeben?»

«Na klar, aber für die Zukunft bitte entweder saubere Prüfinhalte und klare Kriterien definieren oder aber auf unspezifische, unsinnige und zeitfressende Prüfungen verzichten oder es gleich selbst zu machen!»

Die Wareneingangsprüfung von Testsieben war – wie Sie sich denken können - wieder Geschichte! Ich erzähle diese Geschichte gerne, wenn ich Mitarbeitern das Wesen des Qualitätsmanagements und überhaupt die Grundlage für eine industrielle Fertigung näher zu bringen. 

Es geht immer um Disziplin!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Der Scheisser oder wie Rechtschreibprüfung versagt!

In dieser kleinen Geschichte ging es um die Qualifizierung von Verkleben statt Versch w eissen von Stahl. Diese Mail erhielt ich wortwörtlich als Input von einem Lieferanten. «Meine persönliche Einstellung zu kleben: Heute sind die Kleber extrem gut und belastbar, jedoch sehr heikel in der Vorbehandlung / Feuchtigkeit, Temperaturen und nicht fettfreie Oberflächen können hier das Ergebnis stark beeinflussen. Im Produktionsablauf müsste also ein Schweisser auf einmal kleben. Das klingt zwar relativ einfach aber wenn man an die Umgebung denke wo ein Scheisser steht und seine Hände anschaut ist das alles andere als die Umgebung wo sauber geklebt wird! Aus diesen Gründen ist evtl. kleben nicht günstiger wie scheissen … Dazu kommt, dass wir ja in den wenigsten Fällen solche Teile durch scheissen müssen, sondern nur heften … d.h. den einzigen Vorteil wo ich so auf den ersten Blick sehe ist, dass es von aussen keine sichtbaren Scheiss stellen gibt.» Erkennt deine Rechtsschreibprüfu...

Eine rätselhafte Reklamation

Die Geschichte ist doch viele Jahre her, und heute würde das möglicherweise auf Grund der «Anti-Corruption»-Richtlinien nicht mehr passieren. Ein Kunde belieferte über Jahre einen grossen Konzern im Norden Europas. Alles lief wunderbar, keine Reklamationen, auch die Anlieferung per LKW etwas ausserhalb der offiziellen Anlieferzeit ging friktionsfrei über die Bühne. Doch dann änderte sich die Sachlage: Plötzlich wurden mehr und mehr Lieferungen reklamiert. Die Gründe waren unterschiedlich, auch mangelnde Qualität war darunter.  Da dies ein wichtiger Kunde war, wurde das natürlich sehr ernst genommen. Aber jede Untersuchung lief ins Leere, auch eine Analyse mit Ishikawa brachte kein Ergebnis. Die Rohstoffe waren in Ordnung, der Prozess stabil, keine Auffälligkeiten bei der Prüfung, die Mitarbeiter waren dieselben. Die fünf oder sechs «Ms» blieben ohne potentielle Grundursache. Kein Ergebnis mit Ishikawa! In der Verzweiflung wandte sich die Chefin an mich, ob ich denn eine Idee hätte?...

Die CC-Regel - nicht alles wird gelesen...

Kennen sie die CC-Regel?  Ich werde Ihnen diese an Hand eines Gesprächs versuchen näherzubringen: Kollege: « Ich habe dir per Mail geschrieben, hast du das gelesen?» «Worüber?» Kollege: «Ja das Projekt betreffend!» «Nein, habe ich nicht» «Aber ich habe dich adressiert, weil du etwas machen musst!» «Ich bin nicht adressiert worden!» «Ich habe dir doch ein Mail geschickt!» «An mich oder CC?» Er: «Glaube CC?» Ich: «Dann darfst du dich nicht wundern, dass ich es nicht gesehen habe!» «Warum das denn, liest du keine Mails?» Die CC-Regel Meine Antwort: «Schon, aber CC bedeutet «Carbon Copy» und daher nichts anderes, als dass ich lediglich informiert werde und nicht adressiert bin. Bei mir kommt das alles mit einer Outlook-Regel in einen eigenen Ordner, der nur hin und wieder geöffnet wird.» Ende des Gesprächs. Ich sage nur: Pech gehabt! Wer mich adressieren will, muss mich richtig adressieren nicht so nebenbei, also «CC». Warum ich diese Regel brauche? Ganz ein...